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                       Wissenswertes �ber die Taubheit bei Hunden

04.02.2006: Ronja sucht ab dem 18.4.2006 f�r  ein Jahr  einen Pflegeplatz,
siehe
hier

 

Wie ich auf die taube H�ndin Ronja kam...

Ich bin Tiermedizinstudentin und machte im Fr�hjahr ein Praktikum an der Tierklinik in Z�rich. Eines Tages bat mich die Neurologin, ihr bei einer Narkose�berwachung zu helfen. Auf dem Arm hatte sie einen au�ergew�hnlich niedlichen Welpen. Vorwiegend wei�, lediglich gescheckt an Hinterbeinen, Schwanz und einem Ohr und mit auffallend hellblauen Augen. Die kleine H�ndin war neun Wochen zuvor im Tierheim auf die Welt gekommen. Sie war im Rudel immer wieder aufgefallen, da sie nicht auf Ger�usche zu reagieren schien. Nun sollte ein H�rtest durchgef�hrt werden.

Unter Vollnarkose wird dabei der H�rnerv gereizt und seine elektrische Aktivit�t in den verschiedenen Frequenzbereichen aufgezeichnet. Beim h�renden Hund entsteht ein charakteristisches Zackenmuster. Bei der kleinen H�ndin zeigte sich lediglich eine durchgezogene Linie.

Der kleine Welpe war also tats�chlich taub.

Das bedeutete allerdings auch, dass sie nun keinen Besitzer mehr hatte. Die eigentlichen Interessenten trauten sich die Erziehung eines tauben Hundes nicht zu.

Bevor ich das taube Hundem�dchen kennen lernte, hatte ich mir nie Gedanken �ber taube Hunde gemacht. Nun erfuhr ich, dass Taubheit beim Hund gar nicht mal so selten ist. Es gibt viele Rassen, bei denen angeborene Taubheit bekannt ist, bei einigen ist eine genetische Pr�disposition bewiesen (z.B. beim Dalmatiner).

Verursacht wird die Taubheit vereinfacht ausgedr�ckt durch ein Scheckungsgen. Es verursacht nicht die Flecken in der Fellf�rbung, sondern das Wei� dazwischen. Anders gesagt sorgt es f�r fehlende Pigmentierung. Tritt das Scheckungsgen besonders ausgepr�gt auf, so kann es auch zu einem Pigmentmangel im Auge, also zu blauen Augen, und/oder im Innenohr kommen. Letzteres f�hrt in der Folge dazu, dass die H�rsinneszellen zu Grunde gehen. Dieser Prozess dauert einige Wochen, so dass ein audiometrischesn Gutachten nicht vor dem Lebensalter von etwa f�nf Wochen durchgef�hrt werden sollte.

Nicht jeder taube Hund hat blaue Augen und nicht jeder Hund mit blauen Augen ist taub. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit deutlich gr��er bei Tieren mit hohem Wei�anteil und blauen Augen.

Leider werden auch Hunderassen, bei denen angeborene Taubheit h�ufig vorkommt, immer wieder zu Moderassen. Die tauben Welpen (beim Dalmatiner liegt die Zahl zwischen f�nf und zehn Prozent) werden h�ufig eingeschl�fert. Nicht viele Z�chter bem�hen sich um eine Vermittlung, die schwierig ist und oft erst nach Wochen oder gar Monaten gelingt.

Ich wollte w�hrend des Studiums eigentlich keinen Hund, erst recht keinen Welpen und schon gar keinen �problematischen� Hund. Aber ich wollte diesen Hund. Es passte einfach. In den wenigen Stunden, in denen ich sie kennen gelernt hatte, hatte sie mich restlos begeistert. Nicht nur, weil sie so au�ergew�hnlich h�bsch war. Sie schien auch �u�erst gewitzt und klug. Es ber�hrte mich, dass sie nur auf Grund ihrer Taubheit keiner mehr haben wollte.

Ich stellte mir ein Ultimatum. Eine Woche musste ich abwarten, bevor ich im Tierheim anrufen durfte. War die kleine H�ndin dann vermittelt, so hatte sie bestimmt ein gutes Zuhause gefunden. Wenn nicht, dann standen ihre Chancen offensichtlich schlecht und ich w�rde sie mit nach Hause nehmen.

In den folgenden sieben Tagen sprach ich mit Freunden und Familie und holte die Erlaubnis meiner Vermieterin in M�nchen ein. Stundenlang informierte ich mich im Internet �ber die Erziehung von tauben Hunden. Jeden Tag wurde ich mir sicherer, dass ich es versuchen wollte. Ich begann zu hoffen, dass das Hundekind noch nicht vermittelt war.

Schlie�lich war meine Frist abgelaufen und ich rief gespannt im Tierheim an. Die Kleine war als Einzige der neun Welpen noch nicht vermittelt, es hatte sich noch nicht einmal ein neuer Interessent gemeldet.

Noch am gleichen Nachmittag fuhr ich los, um den Welpen zu besuchen. W�hrend ich mich mit der Tierheimleiterin unterhielt, sprang das kleine Hundekind um uns herum, kam auf meinen Scho� gekrochen und als Frau Jost nach unserem Gespr�ch sagte: �Also von uns aus w�re es megal�ssig!� war ich �bergl�cklich. Ich durfte die Kleine mit nach Hause nehmen!

Jetzt fehlte nur noch ein passender Name. Im Tierheim waren sie der Meinung, dass es eine kleine Ronja R�ubertochter sei. Ein wildes und ungest�mes Hundekind, das am liebsten in der freien Natur umhertobt, gleichzeitig aber auch ganz anh�nglich und z�rtlich ist.

Ronja, dabei blieb es.

Wenige Tage sp�ter zogen wir zusammen nach M�nchen und f�r mich begann der Alltag mit einem Hundekind. Eigentlich war Ronja ein ganz normaler Welpe. Sie lief mir auf Schritt und Tritt hinterher, pinkelte zuerst einmal in den frisch geputzten Flur und fand Sandale und K�chenrolle wesentlich interessanter als ihr Hundespielzeug. Sie tobte und spielte den ganzen Tag, lediglich kurz unterbrochen durch Schlafen und Fressen.

Nur eines war ein wenig seltsam. Wenn sie schlief, so kam es hin und wieder vor, dass sie etwas Urin verlor. Zun�chst war ich nicht sonderlich beunruhigt. Auch die Tier�rztin meinte, dass dies bei einem Welpen schon vorkommen kann, zumal taube Hunde auch einen sehr tiefen Schlaf haben. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass sich ihre Inkontinenz mit der Zeit verschlimmerte verschlimmerte.

In der Nacht nach ihrer zweiten Impfung erbrach Ronja, bekam Fieber und setzte blutigen Harn ab.

Ich ging mit ihr in die Tierklinik in M�nchen. Ronja hatte eine sehr schlimme Blasenentz�ndung mit extrem starkem Bakterienbefall. Wir waren alle beunruhigt, da das in diesem Ausma� bei einem jungen Hund eher ungew�hnlich ist.

Nach zwei Wochen Behandlung mit einem Antibiotikum hatte sie immer noch Bakterien im Harn und ihre Inkontinenz w�hrend des Schlafens war deutlich schlimmer geworden. Unsere Tier�rztin war sich nun relativ sicher, dass eine anatomische Missbildung im Harnsystem f�r Ronjas Beschwerden verantwortlich war. Im Ultraschall lie� sich dies nicht zuverl�ssig darstellen. Eine spezielle R�ntgenuntersuchung mit Kontrastmittel best�tigte den Verdacht allerdings. Ronjas rechter Harnleiter war an einer Stelle verengt und m�ndete nicht in die Harnblase, sondern in die Harnr�hre. Dadurch war Ronja nicht in der Lage, den gebildeten Harn zu speichern, und aufsteigende Keime hatten ein ideales Reservoir gefunden. Leider war ihre rechte Niere durch den zur�ckgestauten Harn schon stark gesch�digt, das Nierenbecken auf Grund des Bakterienbefalls massiv entz�ndet.

Sofort am Tag nach der Untersuchung musste Ronja operiert und ihre rechte Niere entfernt werden.

Das Ende vom Lied war ein Hundekind, das mit einer riesigen Bauchnaht und Halskragen durch die Gegend tapste. Frei nach dem Motto: �Mami, Mami der Hund hat eine Lampe an!�

Ich hatte Angst, dass sie noch andere Missbildungen haben k�nnte. Dies lie� sich vor der Operation ebenso wenig beantworten wie die Frage, ob ihre Taubheit in genetischem Zusammenhang zum fehlm�ndenden Harnleiter stand.

Gl�cklicherweise erhielten wir einige Zeit sp�ter Entwarnung. Die Untersuchungen hatten ergeben, dass Ronja keine weiteren Erbfehler hat und es einfach Pech war, dass sie neben ihrer Taubheit noch eine spontane Missbildung im Harnsystem hatte.

Jetzt ist Ronja ein ganz gesunder Hund!

 

Leben mit einem tauben Hund.

Ich denke, dass sich das Zusammenleben mit einem tauben Hund nicht wesentlich von dem mit einem h�renden unterscheidet. Auftretende Probleme sind im Grunde genauso individuell. Allerdings muss man einige Dinge mit einem tauben Hund noch gezielter und sorgf�ltiger �ben.

Die Stimme fehlt nicht nur als Aufmerksamkeitssignal oder f�r Wortkommandos, sondern auch als Motivationsmittel oder um eine Situation zu unterbrechen. Manchmal erfordert es wirklich ein wenig Kreativit�t, sich Ersatzm�glichkeiten auszudenken.

Am h�ufigsten werde ich gefragt, ob ich Ronja �berhaupt von der Leine lasse, wie ich mich mit ihr verst�ndigen kann und ob sie sich nicht besonders leicht erschrickt.

Selbstverst�ndlich l�uft Ronja t�glich ohne Leine! Da ich sie schon im Welpenalter bekommen habe, konnte ich mit ihr von Anfang an �ben, dass sie nach mir schauen muss und nicht anders herum. Ich marschierte also zielstrebig und ohne mich umzuschauen los, st�ndig darum bem�ht unvermittelt die Richtung zu wechseln und mich zu verstecken, sobald ihre Aufmerksamkeit nicht mir, sondern etwas anderem galt. Bei unseren ersten Versuchen ging sie mir so durchaus auch mal verloren. Sie schloss sich einfach ein paar netten Menschen an und weg war sie.

Mittlerweile hat sie relativ gut gelernt mich im Auge zu behalten. Sie schaut viel h�ufiger nach mir als die meisten h�renden Hunde das tun. Allerdings wird sie auch immer selbst�ndiger. Ist Ronja erst einmal auf dem Weg zu etwas, habe ich nat�rlich nicht mehr die geringste Chance ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, sofern sie sich nicht nach mir umdreht. Ich muss also immer wieder daran arbeiten, mich interessanter zu machen als den Rest der Welt. Das ist eine Herausforderung, da Ronja andere Menschen liebt und meistens auch voller Begeisterung empfangen wird.

Ich habe als kleine Sicherheit f�r mich darum inzwischen eine Schleppleine f�r sie und arbeite nicht nur in dieser Situation sehr viel mit Futterbelohnung.

Ein Aufmerksamkeitssignal haben wir bislang noch nicht. Es gibt zwar spezielle Vibrationshalsb�nder f�r taube Hunde, allerdings sind diese sehr teuer und schwer erh�ltlich. Und sie ersetzen nicht, dass der taube Hund lernt, nach seinem Besitzer zu schauen. Schlie�lich m�sste sie trotz Vibration am Hals wissen, wo ich gerade bin. Trotzdem passiert es, dass Ronja mich aus den Augen verliert und in die falsche Richtung nach mir zu suchen anf�ngt. Und manchmal bleibt mir dann nichts �brig als abzuwarten, ob sie wieder kommt, oder ob ich mich eben selbst auf die Suche machen muss. Einmal ist sie mir in der D�mmerung abhanden gekommen. Ich fand sie bei einem jungen Paar, das dabei war, mit einem leuchtenden Federball zu spielen. Ronja hatte sich voller Begeisterung zu ihnen gesellt und die Spielregeln ein wenig modifiziert. Nun wurde ihr abwechselnd mal von ihm oder ihr der Ball durch die Luft geschossen und sie brachte ihn im Schweinsgalopp wieder zur�ck. Ich war mir nicht ganz sicher, wer mehr Spa� an der Sache hatte: Mensch oder Hund.

Unsere Kommunikation funktioniert anhand einer Reihe von Sichtzeichen. Dabei gibt es keine offizielle Geb�rdensprache f�r taube Hunde. Ich �bernehme die in der Hundeerziehung allgemein �blichen Zeichen, profitiere von der Erfahrung anderer Halter von tauben Hunden oder denke mir selbst etwas aus. Ronja liebt es, neue Zeichen zu lernen. Sie ist generell ein sehr aufgeweckter Hund und begreift schnell, was von ihr erwartet wird. Auch einem tauben Hund kann man so problemlos Kunstst�ckchen wie Rolle oder Pfote geben beibringen. Ich muss allerdings darauf achten, dass die Zeichen eindeutig und auch auf Distanz gut zu unterscheiden sind. Sonst kann es durchaus zu Verwechslungen kommen. Beispielsweise ist unser Komm-Zeichen der erhobene Arm. Nun wollte ich ihr ein Stop-Signal beibringen, das bedeuten sollte: �Bleib sofort stehen.� Ich entschied mich daf�r, ihr die flache Hand entgegen zu strecken. Kurz gefasst war der durchschlagende Erfolg, dass mein Hund mit wehenden Ohren und voller Begeisterung auf mich zugerannt kam, statt stehen zu bleiben. Die Gesten f�r �Komm� und �Stop� waren sich einfach zu �hnlich und auf gr��ere Entfernung f�r den Hund nicht mehr zu unterscheiden.

Ronja ist absolut kein �ngstlicher Hund und durch relativ wenig wirklich zu beeindrucken. Nat�rlich ist sie als junger Welpe erschrocken, wenn sie in Hundeart von hinten begr��t wurde. Allerdings hat sie so viele Hundekontakte, dass sie sich daran sehr schnell gew�hnt hat. Ich kann auch nicht feststellen, dass sie von h�renden Hunden merklich anders behandelt oder gar diskriminiert wird. �berh�rt sie ein Drohsignal, so setzen die Hund eben ihre K�rpersprache merklich deutlicher ein.

An unvermittelte Ber�hrungen durch Menschen habe ich sie bewusst von Anfang an gew�hnt. Ich habe sie einfach immer wieder angestupst und ihr dann ein Leckerchen gegeben. Auch einfache Manipulationen wie Pfoten anfassen oder Fieber messen habe ich so mit ihr ge�bt. Da man nicht mit der Stimme beruhigend auf sie einwirken kann, reagiert sie bei ungewohntem Handling durch fremde Menschen, die meist ja ihre Zeichensprache nicht k�nnen, schon �ngstlich. Sie f�ngt meistens an in den unm�glichsten Tonlagen zu jaulen, wenn sie den Sichtkontakt zu mir verliert. Aber nachdem sie gelernt hatte, dass es nach Untersuchungen in der Tierklinik eine kleine Belohnung gibt und wo die entsprechende Futterdose steht, geht sie jetzt zielstrebig und schwanzwedelnd ins Behandlungszimmer.

Nicht immer ist ihre Taubheit von Nachteil. Ronja kann man relativ unbek�mmert �berall hin mitnehmen. Sie hat ja keine Ger�uschangst, st�rt sich weder an der Ger�uschkulisse in Caf�s noch an Kindergeschrei. Vom ersten Tag an fuhr sie begeistert U-Bahn, da vibriert der Boden ja so sch�n. Dann macht sie sich am liebsten ganz lang und schl�ft. Sie hat generell einen enorm tiefen Schlaf. Ob in der Uni auf die Tische geklopft oder mit einer Futterdose geklappert wird, mein Hund schl�ft seelenruhig weiter. Nicht selten muss ich sie wecken und oft taumelt sie dann noch vollkommen zerknautscht und verpennt einfach drauflos. Schlie�lich k�nnte man ja was verpassen, wenn man sich erst die Zeit nimmt richtig wach zu werden.

So meistern Ronja und ich unseren gemeinsames Leben immer besser. Nat�rlich haben wir manchmal Misserfolge, aber eben auch viele Erfolgserlebnisse. Und Ronja ist mindestens so lebensfroh, temperamentvoll und freundlich wie h�rende Hunde auch. Meist ist die Taubheit weniger f�r den Hund ein Problem als f�r seinen Menschen. Taube Hunde leiden nicht unter ihrem Handicap.

Mag sein, dass die Ausbildung eines tauben Hundes noch ein wenig mehr Zeit, Geduld und Kreativit�t fordert. Und dennoch oder gerade weil sie taub ist, ist Ronja einfach ein spitze Hund!                                                                                                                                          (C) Miriam Baumstark

 

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