Kontakt     Home   

                       Wissenswertes über die Taubheit bei Hunden

Unser Weg zur Begleithundefprüfung
©
 Text u. Foto Kirstin Weiskat

Joy, unsere Australian Cattle Dog Hündin, wurde ca. im Januar 2004 geboren und kam im September 2004 zu uns.
Es fiel uns gleich auf, dass etwas mit i
hr nicht stimmte und ein Test an der Tierklinik in Zürich
brachte dann auch die Diagnose: beidseits taub.
Der erste Schock - aber dann auch sofort der Beschluss: ok, da müssen wir halt damit umgehen lernen.
Im Internet fanden wir dann gleich Informationen über Erfahrungen, Erziehung durch Handzeichen - das machte Mut.
Der erste Test mit "Sitz" funktionierte prächtig, beim 3. Mal hatte Joy verstanden, was ich von ihr wollte! Super.

In der Zeitung dann eine Anzeige für einen Erziehungskurs, Start sofort - also, nichts wie hin. Leider, der Kurs war eine Enttäuschung. Der "Ausbilder" latschte gelangweilt mit uns über den Platz, zeigte keinerlei Interesse und auch kein Ausbildungskonzept. Ein tauber Hund war für ihn wohl nutzlos, er gab sich auch keine Mühe, mit irgendwelchen Tipps zu helfen. 

Für Joy war es trotzdem eine nette Erfahrung im Sinne der Sozialisierung mit anderen Hunden und für mich führte diese Negativ- Erfahrung zum Entschluss "jetzt erst recht".

Trainiert haben wir nicht auf dem Platz, sondern zuhause und Joy bemühte sich eifrig, die Handzeichen-Sprache zu verstehen. Sitz, Platz, Komm und Bleib beherrschte sie innerhalb weniger Wochen.

Im Anschluss an diesen Kurs im November 2004 beschloss ich, mich nach einem Agility-Verein umzusehen und wurde auch fündig, gar nicht weit weg von uns, eine Gruppe im Aufbau mit netten Leuten, wir hatten gleich viel Spass.
Mein schönstes Erlebnis war der Kommentar der Trainerin, als ich bei der Vorstellung sagte, das ist Joy, sie ist ein Australian Cattle Dog und taub: Taub, na und. Macht nichts, schaut sie halt mehr auf Deine Körpersprache. Punkt.
Hier war ich also richtig!
Joy liebte Agility vom ersten Tag an, mutig erforschte sie alle Hindernisse und schloss Freundschaft mit den anderen Hunden.

Nur mit der Unterordnung war ich noch überhaupt nicht zufrieden.
In diesem Verein gibt es auch eine sogenannte Hobbygruppe, dort schlossen wir uns sofort an.
Von November 2004 bis Mai 2005 waren wir im Agility sehr viel weiter gekommen, in der Unterordnung jedoch keinen Schritt.

Das Thema Begleithundprüfung als Voraussetzung zur Teilnahme an Agility-Turnieren stand immer öfter im Raum, aber ich sah keine Chance, jemals das erforderliche perfekte Fusslaufen sowie Sitz und Platz aus der Bewegung hinzubekommen.

Die Prüfungsanforderungen kannte ich inzwischen und wir hatten auch schon einen Richter gefragt, ob wir überhaupt eine BH ablegen dürfen, da ja Sichtzeichen normalerweise verboten sind. Mit Attest kein Problem, hiess es, ich dürfe dann eben nur Sichtzeichen verwenden – sowieso logisch bei einem tauben Hund…

Eine Besprechung mit der Leiterin der Hobbygruppe zeigte, dass auch hier kein Interesse bestand, uns weiterzuhelfen.

Tja, da stand ich mal wieder.

Schliesslich nahm mich meine Agility-Trainerin mit zu ihrem Vater, VPG-ler und selbst Ausbilder auf einem Hundeplatz im nahen Frankreich.

Dort musste ich mit Joy zeigen, was wir schon können - oder besser, was wir noch nicht können.
Unser Problem wurde sofort erkannt: der Hund muss mich quasi ununterbrochen anschauen, damit ich überhaupt Handzeichen geben kann.
Die Trainer betrachteten es als Herausforderung, einen tauben Hund hatten sie noch nie trainiert. Das schaffen wir, war der Kommentar. Ich war begeistert!
Gleich starteten wir den ersten Versuch: ich sollte ein Leckerchen in den Mund nehmen und Joy dieses ins Maul fallen lassen, sobald sie mich das 1. Mal anschaut...nun bin ich Vegetarierin und hatte Wiener Würstchen dabei, habe natürlich angeekelt das Gesicht verzogen und der erste Lacher war mir sicher: Was soll das werden, sie ist Vegetarierin und der Hund ist taub!

Nächster Versuch: der Ball. Leine in die linke Hand, Ball mit Schnur auf Brusthöhe in die rechte. Grundstellung, Handzeichen "Fuss" und loslaufen - sobald Joy mich anschaut, Ball an der Schnur runterfallen lassen.
Es klappte sofort!
Das war dann die Hausaufgabe bis zur nächsten Woche.
War ich stolz - eine Woche später lief mein Hund schon einige Schritte bei Fuss und himmelte mich an! Nach fast einem Jahr lustlosem Nebenhertrödeln war es fast unglaublich!
Hier war ich wieder richtig.
Einmal wöchentlich fuhren wir also nun nach Frankreich, was auch meinen Französischkenntnissen guttat, lernten den französischen Ringsport kennen und trafen zudem noch viele nette Leute und Hunde.

Das Training fand von Anfang an immer einzeln bzw. zu zweit statt, genau wie an der Prüfung: ein Hund wird abgelegt während der andere läuft, dann das Ganze umgekehrt.
 

Jede Woche bekam ich eine Hausaufgabe bis zum nächsten Mal, die Erarbeitung der Prüfungsanforderungen in kleinen „Häppchen“: immer länger Fusslaufen, Kehrtwendungen, Linkswendungen, Laufschritt, Langsamschritt waren die ersten Happen – und dabei immer Joy`s Blick auf mich gerichtet.

Wir übten jeden Tag, bei jedem Spaziergang, immer ein paar Minuten mit viel Bestätigung. Joy liebte den Ball und setzte sich immer schon freudig in die Grundstellung - ihren Blick immer auf mich bzw. den Ball gerichtet.

Sobald an der Leine alle Übungen sicher ausgeführt werden konnten, wurde die Leine immer öfter fallengelassen bzw. über den Rücken gelegt und schliesslich ganz weggelassen.

Ohne Leine wiederum der gleiche Ablauf, Fusslaufen, Kehrtwendungen, Linkswendungen, Laufschritt und Langsamschritt - das war ja nun alles kein Problem mehr. Joy lief wunderschön, Blick auf mich bzw. den Ball und hielt auch immer längere Intervalle durch. Ich fing an, den Ball unauffällig in die Tasche zu stecken und hielt die Faust so, als sei der Ball drin - mit Erfolg, Joy lief fortan auch ohne Ball, den Blick auf meine Faust gerichtet.

Ablegen unter Ablenkung übte ich beim Spazierengehen.
Sobald uns ein Hund entgegenkam, wurde Joy abgelegt und musste liegenbleiben. Das machte sie wirklich super - auch wenn sie bestimmt gern gespielt hätte, blieb sie liegen. Komischerweise klappte es auf dem Hundeplatz nicht ganz so gut und wir mussten ihr ab und zu mal wieder deutlich machen, dass sie liegenzubleiben hat.
Inzwischen glaube ich, dass es am Agility-Training lag. Dort wurde sie auch oft abgelegt, während z.B. der Parcours umgebaut wurde - das Kommando wurde aber beim Agility nicht 100% konsequent durchgesetzt, d.h. wenn sie mal aufstand, war es nicht so schlimm. Tja, die liebe Konsequenz….
Beim Ablegen auf dem Hundeplatz muss man ja mit dem Rücken zum Hund stehen – dabei stellte ich fest, dass es ganz wichtig ist, absolut unbeweglich zu stehen. Joy wollte in jeder noch so kleinen Bewegung gleich ein „Zeichen“ sehen und wurde unruhig „vielleicht darf ich ja endlich aufstehen“…
 

Im Sommer standen dann die Termine für die Herbstprüfungen fest - der 1. Oktober 2005 sollte also "unser" Tag sein und ich meldete mich zur BH/VT in einer SV Ortsgruppe an!
Abgesehen von Impfpass, Mitgliedsnachweis und Sportpass, musste ich das Attest der Tierklinik kopieren und mit abgeben.

In den nächsten Wochen mussten nun also die noch fehlenden Prüfungsteile erarbeitet werden.

Sitz und Platz aus der Bewegung – bisher für mich unerreichbar -  konnten nun rasch gefestigt werden. Die Handzeichen kannte sie natürlich schon und da sie ja nun fast immer zu mir aufschaute, konnte ich einfach das Handzeichen geben und sie setzte bzw. legte sich sofort hin.

Fast unglaublich, was wir ihr innerhalb von 4 Monaten beibringen konnten!!

Ein Problem hatten wir noch bei der letzten zu erarbeitenden Teilübung, dem Heranrufen aus dem Platz.
Die Prüfungsordnung schreibt vor, dass der Hund schnell und freudig zum Hundeführer kommt und sich dicht vor ihn setzt.

Natürlich kannte Joy das Heranrufen schon - ist ja schliesslich ein wichtiger Bestandteil der allgemeinen Erziehung - aber mein bisheriges, bereits ein Jahr lang erprobtes Handzeichen für "Komm hier und setz Dich vor mich" bestand im Zeigen auf den Boden mit dem rechten Zeigefinger bei leicht gebückter Haltung, damit sie es auch aus grösserer Entfernung sehen konnte.
Gebückte Haltung wäre aber in der Prüfung als Körperhilfe gewertet worden, somit mussten wir das Handzeichen ändern.

Leichter gesagt als getan!

Joy war oft unsicher, ob ich sie wirklich "rufe" und kam dann zu vorsichtig heran.

Aber auch hier suchten meine Franzosen sofort nach Lösungen: zuerst versuchte ich, den Ball zwischen den Beinen durch nach hinten zu werfen, um das Herankommen zu beschleunigen. Joy hatte aber bald heraus, dass der Ball nach hinten flog und statt direkt vor mich zu kommen, lief sie schon seitlich um mich herum, um den Ball schneller zu kriegen.

Die Lösung war dann, den Ball unters Kinn zu klemmen und ihn, sobald sie vor mir sass, fallenzulassen. Es funktionierte sofort und führte dazu, dass sie im Renntempo zu mir schoss und sich erwartungsvoll dicht vor mich setzte - und prompt brachte uns das in der Prüfung ein "vorzüglich" ein!

Der erste Oktober rückte immer näher und auf dem Hundeplatz liefen wir das komplette Begleithundschema einmal in der Woche, netterweise fanden sich auch immer Leute, um eine Gruppe aufzustellen.

Unter der Woche übten wir bei jedem Spaziergang weiterhin minutenweise die einzelnen Teile in loser Reihenfolge und mit viel Bestätigung. In den letzten beiden Wochen beschränkte ich das Training auf zwei Übungsabende auf dem Prüfungsplatz -und schon war der grosse Tag gekommen.

Eine Woche vor der Prüfung musste ich noch den Sachkundenachweis absolvieren, eine Leichtigkeit im Gegensatz zu Joy`s Leistungen!

"Meine" Franzosen kamen mit zur Prüfung und waren genauso nervös wie ich.
Ein Gläschen Sekt vorher half gegen das Schlimmste, dann konnte es losgehen.

Zuerst die Unbefangenheitsprobe, d.h. Überprüfung der Chip-Nummern.
Das hatten wir noch nie geprobt und Australian Cattle Dogs lassen sich nun mal nicht gern von Fremden anfassen und Joy kann das sehr deutlich zeigen. Aber wir hatten Glück, der Schutzdiensthelfer hat selbst einen ACD und wusste, wie mit ihnen umzugehen ist, der Chip war gleich gefunden und das Gerät funktionierte sofort.

Die erste, wenn auch kleine, Hürde war genommen!

Wir wurden in 2-er Paare eingeteilt, glücklicherweise liess mich meine Teampartnerin, eine künftige Rettungshundeführerin, zuerst laufen, während sie ihren Hund ablegte.

Der Richter fragte schon ganz interessiert, welches denn nun der taube Hund sei, er habe das noch nie gehabt -  und ich wusste sofort, da würde er genau hinsehen...tief durchatmen…..und schon waren wir dran.

Da Joy ja meine Körpersprache bestens liest, wusste ich, ich musste sie unbedingt anstrahlen und so tun, als ob wir – wie ja sonst auch wirklich der Fall – einen Riesenspass hätten. Es funktionierte und das Lächeln löste vielleicht auch meine Anspannung. Sie himmelte mich in bester Manier an und wir liefen unser Schema.
Leinenführigkeit, Gruppe, Freifolge – alles klappte hervorragend!

Statt Sitz aus der Bewegung legte sie sich einfach ins Platz. Egal! Ich holte sie ab und nach ein paar Schritten dann Platz aus der Bewegung, das Herankommen klappte super („vorzüglich“), schliesslich Grundstellung und fertig! Puh.

Jetzt musste sie nur noch liegen bleiben beim Ablegen unter Ablenkung.

Wir wechselten also die Positionen, ich legte sie in den „Hündinnen“-Kreis und ging von ihr weg.
Fehlanzeige!! In grossem Bogen rannte sie um mich herum über den halben Platz und forderte mich schwanzwedelnd zum Spielen auf! Oh nein…also nahm ich sie wieder bei Fuss, legte sie erneut ab. Kaum ging ich weg – dasselbe Spiel!
Erst beim dritten (!) Ablegen erinnerte ich mich endlich an die Worte des Trainers. Grundstellung einnehmen, auf 3 zählen, ableinen, auf 3 zählen, Platz machen lassen, auf 3 zählen und dann erst weggehen.

Es klappte natürlich und endlich durfte die andere Hundeführerin ihre Prüfung beginnen. Wie peinlich! Ich war mir sicher, dass unsere Prüfung verpatzt war.

Ich stand unbeweglich 20 Schritte von Joy entfernt, mit dem Rücken zu ihr und sie lag wie eine Statue, den Blick aufmerksam auf mich gerichtet, absolut perfekt.

Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, aber irgendwann hatte auch der Rettungshund sein Schema durch und wir wurden zum Richter gerufen.

Jede einzelne Sequenz wurde kommentiert, er lobte Joy für ihr korrektes Bei Fuss Gehen, in der Gruppe war sie einmal zu weit weg von mir, die anderen Übungsteile waren fast alle ohne Beanstandung. Das verpatzte Sitz aus der Bewegung wurde durch das vorzügliche Herankommen wettgemacht, zum Schluss das Ablegen unter Ablenkung – ohweh...... Er grinste nur und meinte, nachdem sie zwar 3 Anläufe gebraucht hätte (was aber offenbar nicht zählte, da der andere Hund noch nicht begonnen hatte), wäre sie „vorzüglich“ gelegen. Alles in allem die Gesamtnote „Gut“!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Mein Stolz war unbeschreiblich und die Freude riesig! Die Trainer und Vereinsmitglieder, alle freuten sich mit uns und es ging erstmal zum Mittagessen, bevor der letzte Teil, der Verkehrsteil folgen sollte.

Die anderen Paare hatten inzwischen auch ihre Prüfungen abgelegt und wir waren noch stolzer, als wir hörten, dass fast alle anderen – natürlich alles hörende Hunde -  nur die Gesamtnote „Befriedigend“ bekamen, einer sogar gerade so durchrutschte….

Zur Feier des Tages gab`s ein Glas neuen Wein zum Essen, die grösste Aufregung hatte sich nach diesem tollen Ergebnis sowieso schon gelegt.

Der Verkehrsteil mit Begegnungen mit Radfahrern, anderen Hunden, Personengruppen und auch das Anbinden mit ausser Sichtweite gehen stellte für alle Teilnehmer überhaupt kein Problem dar.
Die gute Nachricht lautete dann auch: alle Prüfungsteilnehmer haben bestanden – grosse Freude natürlich rundum!

Zurück im Vereinsheim gab`s dann das heissersehnte Dokument, Leckerle für Joy und wir Hundeführer und Trainer hatten uns den Sekt verdient!

Ich glaube, damit ist bewiesen, dass auch ein tauber Hund – vorausgesetzt, er wird richtig ausgebildet – dieselben Leistungen erbringen kann wie ein hörender Hund.
Es dauert vielleicht ein bisschen länger und man muss sich auch mal andere Wege einfallen lassen, aber dafür ist der Stolz umso grösser!!

                                                                                                                                                                        © Text u. Foto Kirstin Weiskat

  zurück zu Erfahrungsberichte